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Autofahren in Afrika
Endlich vom Schiff runter, das Ziel welches ich seit vielen Jahre hatte ist so gut wie erreicht. Vor mir brummen viele
überlande Fahrzeuge und warten so wie wir nur darauf, dass der Vordermann endlich wieder einen Meter näher dem
Ausgang aus dem Schiffsbauch kommt. 24 Stunden haben wir uns an Board auf Afrika gefreut, die Fahrzeuge tief im
inneren gut gesichert, einen 3 Wochenurlaub in Nordafrika vor uns.
Bei meiner ersten Fahrt an den südlich von Europa gelegenen Kontinent ging mir vieles durch den Kopf. Was wir mich
dort erwarten, wie sind die Straßen, die Menschen, die Verkehrszeichen, werde ich mich zu Recht finden? Wie wird der
immer wieder als abenteuerlich beschriebene Zoll?
Nach nun mehreren Fahrten kann ich sagen, dass man(n) hier nicht die Panik bekommen braucht. Zwischen ein und drei
Stunden Zoll liegen nach dem Verlassen des Schiffs vor einem. Doch dann hat man es geschafft und ist auf den ersehnten
Straßen unterwegs, ab nach Tunis und dann weiter zum ersten Nachtlager.
Wer als „braver“ Europäer versucht sich an alle Verkehrsordnungen zu erinnern um ja keinen Fehler im fremden Land zu
machen, dem sei hier gesagt – vergiss es, nutze die wertvollen Ressourcen deines Gehirns für die Fahrt die vor dir liegt.
Ab hier sind Regeln nur noch Empfehlungen und keine Regeln in unserem Sinn mehr. Wann eine Regel dennoch
eingehalten werden sollte, sagt dir ab nun nur noch die Erfahrung und ein wenig Glück. Dies und die Unterstützung von
Allah, ist auf den afrikanischen Straßen auf jeden Fall von Vorteil.
Ampeln sind bei uns im Regelfall penibel einzuhalten. Zeigt sie rot, sollte man stehen bleiben, da ein von der Seite
kommendes Fahrzeug etwas dagegen haben könnte, wenn man dennoch fährt. Auch sind schnell mal 70 oder mehr Euro
für ein derartiges Vergehen abzulegen. Bei LKWs welche von der Seite kommen, kann dies zudem noch mehr als
unangenehm ausgehen.
Hier, südlich des Mittelmeers ist das schon nicht mehr ganz so sicher, ob rot wirklich stehen bleiben bedeutet. Ein kleines
Paradies für alle „waren“ Männer, welche farbenblind sind. Nicht einmal passierte es uns, dass die anderen Fahrzeuge
dennoch weiterfuhren. Der stärkere Verkehrsstrom hat somit automatisch die Vorfahrt, Farbe der Ampel hin oder her. Der
Verkehr regelt sich somit selber. Als Fehler kannst du es bezeichnen, nun nicht mit dem Strom der vielen sich vorwärts
bewegenden Blechansammlungen mitzuhalten. Bleibst du stehen, weil du dir nicht sicher bist, ob es bei einer roten Ampel
nicht vielleicht doch sicherer wäre stehen zu bleiben, erzürnst du viele hinter dir fahrende Fahrer und sogar die Polizei
kann auf dich aufmerksam werden. Meist winken diese dich dann freundlich weiter. Dies führ zu einer leichten Sicherheit,
wenn man sich dann doch noch entschließt bei Rot über die Kreuzung zu fahren. Dennoch, einen Blick auf die anderen
Seiten schadet nicht. LKW Fahrer sind sich ihrem Massenvorrang noch bewusst und dann sollte man doch wieder stehen
bleiben, ansonsten gute Fahrt.
Autobahnen sind bei uns die Verkehrsadern auf welchen der Autofahrer schneller fahren darf als anders wo. Dies liegt an
der Sicherheit, dass im Normalfall alle anderen auch in die gleiche Richtung fahren, die Straßen breiter gebaut sind und
auch durch Wildzäune geschützt werden.
Afrika ist hier sicherlich anders. Autobahnen gibt es zwar nur wenige, aber sogar diese sind „anders“. So kann es schon
einmal vorkommen, dass ein Hirte seine Schafe über die Autobahn treibt. Auch ein alter Mann im Schatten eines Baumes
im Trennstreifen zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen ist nicht selten zu sehen. Dieser ist jedoch nie alleine, einige
Ziegen oder Schafe sind sicherlich auch in seiner Nähe und im Normalfall auch in der Mitte zwischen den beiden
Fahrrichtungen. Besonders amüsant sind LKW Fahrer die eine Ausfahrt übersehen habe und mangels guter Bremsen auch
einige hundert Meter benötigen um ihre Ungetüme abzubremsen. Nicht einmal sah ich, wie diese Fahrenden Schrotthaufen
dann einfach über den trennenden Grünstreifen fuhren um auf der anderen Seite abfahren zu können. Wer denkt, dass dies
schnell ginge oder der LKW Fahrer auf den Verkehr achtet, der irrt. Im Regelfall sind sich diese sehr freundlichen Fahrer
ihrer Überlegenheit durch aus bewusst und nutzen diese auch aus.
Auf Landstraßen gilt z.B. in Tunesien die Beschränkung nicht schneller als 80 km/h zu fahren. Auf den wichtigen Routen
ein Tempo, was man selten einhalten kann. Entweder wird man durch einen Pulk abenteuerlich zugerichteter PKWs auf
100 oder mehr km/h gedrängt, oder man kann einem 30 Tonner und seiner ca. 60 bis 90 Tonnen schweren Ladung mit 30
km/h folgen. Überholen ist bei derartigen Transportern selten möglich. Nicht nur, dass die Straßen nicht die besten sind,
viele Kurven besitzen, sind die LKWs oft beinahe doppelt so breit wie eine Fahrspur. Nein, dies ist nicht korrekt. Nicht der
LKW ist doppelt so breit, sondern die Ladung die auf beiden Seiten der völlig desolaten Anhänger überhängt. Auf jeden
Fall sind Landstraßen sicherlich bei weitem gefährlicher als bei uns. Dass uns bis heute nichts passiert ist, freut mich jedes
Mal. Auch wundert mich, dass hier nicht jeder zweite im Straßenverkehr ums Leben kommt. Allah ist anscheinend doch
öfters mit an Board der Fahrzeuge.
Autostraßen sind eine Seltenheit aber es gibt sie. Dennoch ist auch hier höchste Konzentration gefordert. Stupides
Dahingleiten kann hier tödlich sein. Immer wieder sind Senken mit bis zu einem halben Meter in der Fahrbahn. Achtet
man nicht auf die Fahrbahn, kann es schon vorkommen, dass alle Räder in der Luft nach ein wenig Haftung suchen und
nach 20 Metern auch wieder erhalten. Der Aha Effekt für den Lenker ist ein bleibender. Die kurze Zeit im Flug gehen
einem solcher Art zum Piloten beförderten Fahrer schon die einen oder anderen Gedanken durch den Kopf. Ist dann die
Fahrbahn und Fahrzeugverbindung via Reifen und Asphalt hergestellt wird man die restlichen Kilometer des Tages
sicherlich genauer auf die Fahrbahn achten.
Mitten in einer Kleinstadt, der Verkehr drängt sich durch den Ort. Man kommt von einer breiten Bundesstraße, sieht die
Ortstafel, die Straße wird schmäler. Einige Häuser links und rechts der Straße, dann die ersten parkenden Autos,
dazwischen ein Kamel und einige Mopeds. Die Straße wird wieder schmäler. Das Fahrzeug vor einem wird langsamer, die
hinteren kommen bedeuten näher. Überhaupt ist Sicherheitsabstand eher etwas, was ein wahrer Gläubiger nicht brauchen
dürfte. Man fährt durch einen gemauerten Bogen in den Kern der kleinen Stadt. Die Hauptstraße geht also mitten durch,
nichts Seltenes. Plötzlich ist da ein Einbahnschild. Wer denkt, dass nun alle in Panik ausbrechen und der Verkehr zum
Erliegen kommt, der irrt. Hat man einen „großen“ in der eigenen Kolonne geht’s weiter. Die entgegen kommenden
Fahrzeuge in der Einbahn weichen in Hauseinfahrten, andere Gassen oder sonst wohin aus. Mit Präzision funktioniert dies.
In Europa würde so jeder Verkehr zum Erliegen kommen, hier nicht. Irgendwann ist die Kolonne der „Geisterfahrer“
vorbei und die anderen fahren wieder durch die enge Gasse. Ab und zu kann es natürlich vorkommen, dass irgendein
eiliger sich nicht an diese Regeln hält und dann stehen zwei Fahrzeuge in einer engen Gasse und jeder hat bereits weitere
Autos mit wild gestikulierenden Fahrern hinter sich, die ihren Hupen die letzten Töne herauslocken. Nur die Ruhe
bewahren, auch diese Situation regelt sich irgendwann von selber und man setzt die Fahrt auf der plötzlich wieder
zweispurigen Fahrbahn ganz normal wieder fort.
Mangelnde Hilfsbereitschaft kann man den Tunesien sicherlich nicht nachsagen. Nicht einmal passierte es uns, dass wir
bei einer kurzen Pause die Fahrzeuge am Straßenrand abstellten und uns bei einem Fahrzeug im Schatten eines Baumes
zum Plaudern trafen und schon nach wenigen Minuten ein hilfsbereiter Mann aus seinem klapprigen Fahrzeug stieg um
uns zu helfen. Nach der üblichen Begrüßung wurde sofort gefragt, ob wir Hilfe bräuchten. Nach dem feststand , dass dem
wirklich nicht so war, verabschiedeten sich die Hilfeleistenden jedes Mal freundlich und fuhren ihrer Wege. Wer jetzt
glaubt, dies käme aus dem Wunsch heraus uns durch eine kleine Dienstleistung Geld abzuluchsen, der irrt. Mehrfach
nahmen wir solche Angebote an, meistens nur um nach einem Weg oder sonstigen Kleinigkeiten zu fragen und nie wollte
wer etwas.
Die Stadtautobahn in Tunis ist ein kleines Abenteuer für sich. Früher zwei bis dreispurig ist sie heute mit bis zu sechs
Spuren quer durch die Stadt gebaut worden. Auffahrten gibt es fast überall, da die Leitplanken nie montiert oder schon
wieder anderen Zwecken zugeführt wurden. Ja, richtig kombiniert, aufgefahren wird nicht auf einer langgezogenen,
kurvigen Auffahrt wie bei uns, sondern einfach dort wo es geht. Überraschen kann mich ja fast gar nichts mehr, aber ich
fand es dennoch schon sehr beeindruckend, dass in der Stoßzeit die Autobahn wirklich maximal optimiert wurde. 5 Spuren
in die eine, 5 Spuren in die andere Richtung sind am Boden mit weißer Farbe angezeichnet. Der Pannenstreifen ist ein
breiter Sandstreifen, auf welchem auch die vielen wilden Auffahrten dazu kommen. In der Stoßzeit gehen sich hier bis zu
12 Spuren aus! Aber nicht in beide Richtungen zusammen, nein pro Seite der Autobahn! Das hier nicht jeden Tag hunderte
Totalschäden passieren, wir auch noch nie eine Schramme abbekommen haben, ist wohl eines der vielen fahrtechnischen
Wunder die ich in Afrika erleben durfte. Abenteuerlich wird dies nur bei den vielen auf Stelzen gebauten Abschnitten der
Autobahn, wo sich diese 12 Spuren auf noch immer abenteuerliche 5 bis 6 Spuren zusammen drängen. Jedes Mal denke
ich an die geistigen Bilder vom Bau, die bekannten Verluste bei Beton und Stahl während des Baus, welche hier ganz
normal sind und dann wieder daran wie sich die hunderten Tonnen Gewicht langsam, meist unter Schritttempo zur
Stoßzeit über diese Brücken quälen. Aber was soll´s, inschallah, so Gott will, es wird schon gut gehen. Bis heute haben
diese Brücken gehalten.
Mit 100 km/h geht es flott voran auf der schönen und sichtlich neuen Autobahn in Richtung Tunis. Die Gedanken sind
schon beim Nachtlager und beim kommenden Tag, der an Board des Schiffs nach Europa enden wird. Kein Fahrzeug ist
im Rückspiegel zu sehen und nur eines in sehr weiter Ferne. Aber es kommt schnell näher. Ein Blick auf den Tacho zeigt
noch immer 100 km/h. Selbst ein stehendes Fahrzeug dürfte sich nicht so schnell nähern. Nochmals wird der Tacho und
die Entfernung zum Fahrzeug kontrolliert. Der erstere ergibt noch immer 100 km/h, nun wegen Verunsicherung langsam
abnehmend, aber das Fahrzeug kommt dennoch zu schnell näher um nur zu stehen. Wenige Sekunden später nähert sich
ein alter Mercedes mit Lichthupe auf der zweiten Spur der Autobahn und zieht mit einem Affen Tempo an uns links
vorbei. Was die Lichthupe bedeuten sollte ist mir bis heute noch nicht ganz klar, vielleicht war es ja ein britischer
Pensionist, der dachte dass wir falsch unterwegs waren. Auch wir dachten dies die ersten paar Minuten, aber nachdem
dann doch noch mehr Fahrzeuge auf unserer Seite fuhren, beide Spuren benutzten und auch die gegenüberliegende Seite
„korrekt“ benutzt wurde, waren wir uns sicher nur wieder eine weitere Autofahrerische Episode in Afrika erlebt zu haben.
Mit einem lauten metallischen Knall verabschiedete sich bei mir die Fixierung meiner Hinterachse. Was macht man in
einem fremden Land, wo es weit und breit keine Toyota Vertretung gibt, keine Werkstatt welche man kennt und selber
keine Ersatzteile mit hat? Man fährt zur nächsten Hofeinfahrt, wo etwas Öl im Sand ist, ein alter Traktor und einige Reifen
stehen. Gesagt getan. Schnell fanden wir in einer kleinen Ortschaft den Ortsmechaniker. Um erst einmal zu fragen, ob er
meinen Schaden überhaupt reparieren konnte blieb ich auf der Bundesstraße stehen. Schon nach wenigen Minuten und
einem kurzen, gemeinsamen Blick unter mein Fahrzeug war alles klar – kein Problem. Somit wohin mit dem Fahrzeug?
Auf die Hebebühne in der Garage? Ein Nein, dann die Erklärung, dass diese defekt sei. Nein, der Ort ist schon OK, nur
noch auf den Randstein der Straße gefahren und schon passt alles. Das Ausbauen ging schnell, das Schweißen im
Anschluss schon etwas länger, dies machte der Nachbar. Eine gute Zeit, um im an die Werkstatt angrenzenden Teehaus
einen Tee zu trinken. Nach 20 Minuten war alles wieder so wie es sein sollte. Wir hatten zu viert den Wagen leicht
angehoben um den Einbau zu ermöglichen, die Schrauben waren wieder angezogen und die Schweißstelle sah auch ganz
gut aus. Das Ganze für 10 Euro und ein freundliches Lächeln.
Stoßdämpfer haben es bei unseren Ausfahrten nicht leicht, müssen sie doch alle Unebenheiten, Löcher und sonstigen
Bodenerscheinungen abfedern. So war es nur eine Frage der Zeit, bis uns der erste abrach. Nach nur einer viertel Stunde
war dann auch der zweite ab, welcher sich wohl dachte, die Arbeit nicht alleine machen zu wollen. Somit war es an der
Zeit, wieder einen „Brzl Brzl“ Mann aufzusuchen. Diese Könner ihres Fachs, schweißen alles in jeder Situation
zusammen. Auch hier zuerst ein lächeln eines Mechanikers, ein nicken, der Hinweis alles kein Problem und schon war er
mit allen vier Einzelteilen verschwunden. 15 Minuten später hatten wir zwei geschweißte Stoßdämpfer eingebaut und eine
Satte Rechnung von zwei Cola Dosen und einem Dinar beglichen. Ein fester Händedruck und ein herzliches Danke
beendete auch dieses kleine Abenteuer. Die Stoßdämpfer hielten dann bis Österreich, wo sie dann gegen neue getauscht
wurden.
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